Trommeln und Pfeifen in Basel
Ausschnitte aus dem Buch
Trommeln und Pfeifen in Basel
von Georg Duthaler
Christoph Merian Verlag Basel (Buch vergriffen)
Es werden die Alten Schweizermärsche besprochen und einige einstimmige Märsche aus dem 19. Jahrhundert im Anhang gezeigt.
Kapitel VIII – worin endlich das Pfeifen an die Reihe kommt
Im Gegensatz zu den Basler Trommlern, von denen schon im 18. Jahrhundert einzelne erfassbar sind, tappen wir bei den Pfeifern bis in die neueste Zeit im Dunkeln. Gewiss, man kann lesen, auf Grund der Urkunden falle der Beginn unserer Stadtpfeiferei ins Jahr 1374.
Mittelalterliche Pfeifer sind keine fasnächtlichen Piccolospieler
Aber diese Pfeifer haben, was oft übersehen worden ist, gar nichts zu tun mit denen, die wir gewöhnlich im seIben Atemzuge mit den Trommlern nennen. Die Stadtpfeifer waren gründlich ausgebildete Musiker, die, wie wir von den Bernern wissen, bei allen nur erdenklichen Gelegenheiten, auch im Kriege, auf Flöte, Schwegel (Einhandflöte), Krummhorn, Posaune und Feldtrompete oder Zink zu blasen hatten und ausserdem noch Musikunterricht erteilen mussten. In Basel bezogen sie zeitweise ein fürstliches Gehalt. Das galt bestimmt nicht für die gewöhnlichen Spielleute, erst recht nicht für die Pfeifer, die oft eher als Nebenfiguren behandelt worden sind.
Des Pfeiffers Ampt ist
die Wachten neben dem Trommenschlager auff- und abzuführen
sonsten hat er weiters nichts zu thun
dann allein auff die Compagnie
wann sie marchieren will
zu warten
und auffzupfeiffen.
Als Tambouren fungierten manchmal Knaben, doch oft wählte man besonders robuste junge Leute. Die Pfeifer aber waren wahrscheinlich aus anderm Holz geschnitzt. So sagt die Schaffhauser Militär-Organisation von 1810 in § 11 deutlich: Zu Pfeiffern werden keine andern jungen Leute angenommen, als solche, welche von kleiner Statur und zu schwach sind, das Gewehr zu tragen, oder aber ganz besondere Anlagen zu diesem Fach besizen.
Bei den eidgenössischen Truppen verschwanden, im Gegensatz z. B. zu den holländischen oder deutschen, die Pfeifer wohl schon in den 1830erjahren. Zwar stand auf dem Etat einer Infanteriekompanie neben zwei Tambouren ein Pfeifer, doch ist im betreffenden Reglement eine Fussnote äusserst verdächtig. Sie lautet: Statt des Pfeiffers kann auch ein dritter Tambour gegeben werden.
Das wird oft der Fall gewesen sein und kann sich auch auf die Basler Fasnacht ausgewirkt haben, sonst hätte Karl Rudolf Hagenbach (1801-1874) nicht in seinen Erinnerungen schreiben können, zu seiner Zeit seien die ins Trommeln kreischenden Querpfeifen noch nicht üblich gewesen. Auf bildlichen Darstellungen haben sich wirklich erst 1856, also relativ spät, Pfeifer finden lassen. Auch ist meines Wissens vor 1854 kein Inserat zum Kauf oder Verkauf eines Piccolos erschienen. Bestimmt waren die Pfeifer nie zahlreich, was auch aus einem Satz im Schweizerischen Idiotikon (Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache) hervorgeht. Dort heisst es, dass Platzmacher zu Ross oder zu Fuss den Fasnachtszug eröffnen, den Kern aber die Trommler (hie und da mit Pfeifern) bilden.
Der erste mir mit Namen bekannte Basler Pfeifer ist der durch seine «Lieder für jung und Alt» beliebte Waisenvater Johann Jakob Schäublin (1822-1901). Wir lesen in seinen Erinnerungen: An der nächsten Messe kauften mir die Eltern an einem Stand ein Piccolo mit nur einer Klappe, wie sie die Pfeiffer zur Fastnachtszeit auch jetzt (1899/1900!) noch benützen. Schäublin nahm daraufhin bei dem ihm empfohlenen Drechslermeister Kaufmann im badischen Weil Stunden.
Albert Fehr
Erst im Programm des Monsters von 1910 stossen wir wieder auf die Namen von Pfeifern. Als neunte Nummer ist nämlich ein Pfeifer-Trio C.R, A.F: und M.O. angezeigt. Das waren Carl Roth (1879-1958), Albert Fehr (1875-1931) und Max Oser (1856-1929). Ihnen ist damals für die dreistimmig gepfiffenen Alten zugejubelt worden. Wenn stimmt, was «-sch» oder «nsch», vermutlich Gustav Rensch, beim Tode Fehrs in den Basler Zeitungen geschrieben hat, so hat Fehr um die Jahrhundertwende den Pfeifern, die bisher nach dem Gehör gelernt hatten, das Notenlesen beigebracht, die Pfeifermärsche mehrstimmig gesetzt und 1911 dem Fasnachts-Comite geholfen, sie herauszugeben. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass die Alten, die am Zürcher Sechseläuten 1888 dreistimmig gepfiffen worden waren, bereits 1889 im dreistimmigen Satz vorlagen. (Wenige Jahre vorher hatten die Gebrüder Hug ein Heft mit den damaligen Märschen im einstimmigen Satz von Ferdinand Boller herausgegeben.) In der Besprechung des Trommelkonzertes von 1910 betont Maehly, das Zusammenspiel von guten Trommeln und Piccolos sei so reizvoll, dass es an der Zeit wäre, statt neuer reiner Trommelmärsche einen neuen Pfeifermarsch zu komponieren.
Carl Roth
Man könnte meinen, Carl Roth habe sich das zu Herzen genommen, denn in den folgenden Jahren und Jahrzehnten trugen zahlreiche Märsche seinen Namen. Einige davon gehören zu den besten und beliebtesten Basler Pfeifermärschen. Daneben hat er sich auch als Instruktor, unter Anderem bei den Kadetten, verdient gemacht.
Paul Lächler
Nicht vergessen werden darf Paul Lächler (1896-1962). Seine Bedeutung liegt vor allem darin, dass er ein äusserst strenger, darum auch gefürchteter, erfolgreicher Lehrer und dominierender Pfeiferchef gewesen ist. Dabei war er nicht von Haus aus Pfeifer, denn als er 1916, nach der Rekrutenschule, in die Basler Füsilier-Kompanie II/97 eingeteilt wurde, war er Tambour!
Was hätte wohl Paul Maehly gesagt, wenn er es noch erlebt hätte, wie heutzutage Jahr für Jahr einige neue Pfeifermärsche komponiert werden? Zwar sind die meisten davon nur Dreitagsfliegen. Trotzdem ist es bedauerlich, dass sie nirgends gesammelt sind. Die Verpflichtung der Basler Drucker, von jedem Erzeugnis ein Exemplar der Basler Universitätsbibliothek abzugeben, scheint leider für diese Art Musikalien nicht zu gelten.
Pfeifende Frauen
Ein Wort noch zu den Frauen, die pfeifen. Auch hier hat die Emanzipation nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzt. Es lernte nämlich Helli Oppermann, die Freundin von Esther Abt, bei Paul Lächler pfeifen und blies 1921 und 1922 am Morgenstreich in der Barbara-Clique mit, doch will sie nichts davon wissen, die erste Pfeiferin zu sein; eine Frau Welti-Rumpf habe schon zehn Jahre vor ihr gepfiffen. (Es ist mir nicht gelungen, diese Aussage zu überprüfen, so wenig ich andere frühere Pfeiferinnen aufzuspüren vermocht hätte.) Heute gibt es wohl annähernd so viele Frauen wie Männer, die pfeifen. das Piccolo ist eben doch der Frau eher angemessen als die schwere und eine gewisse Kraft erfordernde Trommel. Anspornend wirkt natürlich auch, dass an den jährlichen Preispfeifen schon mehrmals Frauen oben aus geschwungen haben.