Fasnacht in Basel
Ausschnitte aus dem Buch
Fasnacht in Basel
von Robert B. Christ und
Eugen A. Meier,
Pharos-Verlag Hansrudolf Schwabe AG 1968
Texte von Eugen A. Meier
Tanz
Den eher sittsamen Tanzvergnügen der Bevölkerung auf den Stuben der Zünfte und Vorstadtgesellschaften standen zuweilen höchst verwerfliche Exzesse gegenüber. 1532 produzierte eine über 15 Mann starke Gruppe, der u.a. drei Druckergesellen, zwei Schlosser, zwei Metzger, ein Messerschmied, ein Kartenmaler, ein Zunftknecht, ein Eisenkrämer und ein Weber angehörten, auf der Zunftstube zum Bären (Hausgenossenzunft), auf dem Kornmarkt (Marktplatz) und auf Strassen und Gassen zu den Weisen des Pfeifers Ulrich Frauenknecht „by Nacht und Neben“ einen Nackttanz, der heftig empörte. Bei Androhung des Schwerts im Wiederholungsfalle waren „Gefängnis und eine gesalzene Geldbusse von fünf Pfund für jeden Übeltäter der Lohn für solch urtümlich wüste Maskerei“. (Seite 13)
Tanz der Küfer
Ungleich populärer als der Schwerttanz war in Basel der Tanz der Küfer, bei dem statt des Schwertes ein Holzbogen als Tanzgerät diente. Wie sich der Küfertanz, dessen erste Erwähnung ins Jahr 1526 fällt, abgewickelt hat, berichteten die Zürcher Monatlichen Nachrichten im Jahre 1754:
«Weil der letzte Herbst so wol ausgefallen, und der Wein so vortrefflich gut worden (dass man zu Basel bey nahem allen Wein von den nächsten Markgräfischen Dörfern aufgekauft hat), so haben die in Basel sich aufhaltenden Küffer-Knechte ihre Freude hierüber auf eine feyerliche Weyse an Tag legen wollen: Sie hielten nämlich, ihrem Gebrauch nach, am verwichenen Ascher-Mittwochen ihren Umzug, den sie aber diesmal mit einem Reiftanz ziereten: Zuerst giengen 5 Musikanten, nämlich 2 Geigen, l Clarinette, l Fagot und l Hautbois (Oboe); darnach 2 Büchsenknechte mit grossen silbernen Koken (holen Küffer-Schleglen); diesen folgte der Reifschwinger, der nichts über sich hatte, als ein schön weisses Hemd, Scharlach-rothe Hosen mit gelben Knöpfen, weisse Strümpfe, Sammet-lederne Schuhe, und ein Rosen-farbes Käplein mit kreuzweise darauf gehefteten Kränzlenen auf dem Kopf, und die Haare gekräuset und gepudert; in der rechten Hand trug er einen kleinen Reif, darein er 3 Gläser, das mittlere Gesundheits Glas mit rothem, und die ändern zwey mit weissem Wein angefüllet, gestellet hatte.
Hierauf kamen 13 andere, alle ihrem Vorgänger gleich gekleidet und gezieret, welche grosse schwanke offene Reife, in die Höh gerichtet, trugen, so dass ein jeder in einer Hand das andere End von seines Vorgängers, und in der anderen das eint von seinem eigenen Reife hatte, und immer behielt. Sie stuhnden vor vornehmer Leuten und Meisters-Häusern still, und hielten ihren Tanz, der besser und lustiger zu sehen, als zu beschreiben; indem sie, bald einen Krays machten, ihre Reife in gleichen Augenblicken gegen den Boden schwungen und darüber sprangen; bald sich wieder kehrten, dieselbe obsich richteten und darunter durch tanzeten, und gleichsam den Fahnen Schwüngen; bald sich nach und nach Reyhenweis gegeneinander über stellten, und sich wieder voneinander trennten;bald wieder einen engen Krays schlossen, indem sie mit ihren Reiffen eine concave (hohle) Halbkugel formierten, und damit ihren Reiffschwinger, der sich darein gestellt hatte, dreimal auflupften; bald wieder nach der Cadence (im Takt) sich auseinander wickelten, ihre Reife in die Höhe huben und übereinander legten, so dass sie eine halbe Sphaere (Kreis) machten; endlich sich wieder auseinander zogen, und schlangenweise durch einander durch tanzeten, bis sie einen weiten Krays ausgemacht, in dessen Mitte sich der Reifschwinger stellte, und nach dem Marche du Prince Eugène seinen Reif mit Gläsern, sich auf die Vim centrifugam (Zentrifugalkraft) verlassend, rechts und links um den Kopf, um den Leib und unter den Beinen durch schwang, und das mit einer solchen Fertigkeit, dass ihm sehr selten ein Glas abfiel; hierauf trank er aus dem mittlern Glas auf des Herrn, dem zu Ehren sie tanzeten, seine Gesundheit.
Inzwischen äffte der Arlequin (Hanswurst), der Platz machen musste, allem diesem nach. Dem Zug folgte ein Wagen mit 3 neuen Fässern; auff den beyden kleinern sassen ordentlich gekleidete Küfferknechte, die lustig darauf hämmerten, und auf dem mittleren grossen ein Bacchus (Weingott), der den verehrten Wein versuchte, und durch den Trichter oben in das Fass schüttete. Dieser Umzug währete alle Tage die ganze Woche, so dass sie erst den Montag darauf in die kleine Stadt ziehen, und am Dienstag auf ihrer Zunft Tanz und Mahlzeit halten konnten. Ob sie schon vor den Häusern beynahe 500 fl. (Gulden) mögen bekommen haben, kan ihnen doch, wegen unterschiedlichen Unkosten, wenig davon übrig geblieben seyn.»
In den Ratsprotokollen ist – nachdem 1769 sechzehn Kleinbasler Buben auch einen Küfertanz gehalten hatten – 1792 letztmals vom Umtanzen der Küfer die Rede. Die Küfermeister hatten in diesem Jahr den Wunsch ausgesprochen, dass der Tanz ein Ende nehme. Es scheint, als hätte die Französische Revolution die Tradition des während Jahrhunderten mit Begeisterung gespielten Küfertanzes, der am Eidgenössischen Turnfest 1912 nochmals auflebte, gebrochen. Zum Tanze aufgespielt wurde nach den Melodien alter Schweizermärsche mit Querpfeife und Trommel; die Trommler bedienten sich meist grossförmiger und mit den Emblemen der Stadt bemalter Holztrommeln, die durch sieben Schalllöcher einen dumpf klingenden Ton abgaben. Bis weit ins 16. Jahrhundert hinein waren Pfeife und Trommel unerlässliche Elemente der Tanzmusiken, die vielfach auf offenem Platze zum Tanz boten.
Die ersten Nachrichten über Basels Fasnachtsmusik datieren aus dem 15. Jahrhundert. Die Bürgerschaft leistete sich schon damals ein kleines, mit je vier Pfeifern und Trommlern besetztes Corps vereidigter Stadtmusikantne, das nach dem Kirchgang an Sonntagen und öffentlichen Feiertagen im Rathaus oder auf der Rheinbrücke konzertierte. Auch zum Empfang fremdländischer Gäste, beim Besuch auswärtiger Kilben und Schiessen, beim Wettstreit der Armbrust- und Büchsenschützen und bei militärischen Harnischmusterungen erfreuten die Spielleute männiglich mit beschwingter Musik. … An Kriegszügen waren Trommler und Pfeifer ebenso wenig entbehrlich wie an der Fasnacht; denn die „tromben lassent sich die basler nit nemmen“ (1622). (Seite 14-16)
Fasnachtsumzüge
Wie farbenprächtig die hauptsächlich von Kindern und Burschen gebildeten Fasnachtsumzüge der Gesellschaften um die Mitte des 18. Jahrhunderts gewirkt haben, beschrieb 1766 der Überreiter Johann Heinrich Bieler:
„Seit 200 Jahren ist es Brauch, dass alle Jahre am Fasnachtsmontag und -dienstag die Knaben aus allen Quartieren mit Trommeln, Pfeifen und klingendem Spiel in der ganzen Stadt umherziehen. Sie tragen Unter- und Übergewehre und stellen Offiziere, Grenadiere, Musketiere, Harnischmänner, Eidgenossen, Schäfer und Schäferinnen dar, zu denen sich viele grosse und kleine maskentragende Buben gesellen. …“ (Seite 22)
Texte von Robert B. Christ
Yynepfyffe
Am Sonntagabend vor dem Morgenstreich soll die fertige Laterne, vom Pfeifercorps feierlich-fröhlich in Zivil begleitet, zum Cliquen-Lokal in der Altstadt gebracht – «gepfiffen» – werden. Denn dort braucht man sie; dort muss sie bereitstehen, wenn sich, noch vor vier Uhr in der Frühe, der Cliquenzug zum Morgenstreich ordnet. (Seite 57)
Piccolos aus Tübingen
Das Blasen der Querpfeife, der Piccoloflöte, kurzum das Pfeifen, erlernt man von Anbeginn am Instrument selbst, erste Stimme auf dem enger, zweite Stimme auf dem weiter gebohrten Piccolo, welches so gut wie ausschliesslich, heisst es, in Tübingen hergestellt wird. (Seite 57)
90 Schritte pro Minute
Und wie viele Märsche gab und gibt es! Märsche für die Trommel allein und noch weit mehr Märsche für Trommel und Pfeife, dazu Paradestücke, die kaum auf der Strasse, sondern nur bei Veranstaltungen, am Preistrommeln oder am «Monschter», am sagenhaften Monstre-Trommelkonzert (welches jüngere Leute etwas respektlos, aber vielleicht zärtlich und ohne es herabmindern zu wollen «Drummeli» nennen) zu hören sind…Die Trommel ist älter als die Fasnacht – auch in Basel. Sie tat ihren Dienst auf Kriegszügen. Daher stammt ja das gemütliche Tempo der Basler Märsche – gegen 90 Schritte in der Minute, der Landsknechtsschritt von einst. Auf der Strasse wird solch gemächliches Tempo eigentlich ganz von selbst nie überschritten. Am «Monschter», seit langem schon im ehemaligen Küchlin-Theater, das heute Küchlin-Kino hat werden müssen, kann das eher einmal passieren. Geniesser sehen einander maliziös lächelnd an: «Wann geht der Zug?». (Seite 58)
Der Tod schlägt die Trommel
Trommel und Pfeife bildeten einst auch die Tanzmusik schlechthin, waren jedoch auch feierliche Musikbegleitung, wo es darauf ankam. Selbst an Hochzeiten soll damals in der Kirche durchaus ernsthaft getrommelt und gepfiffen worden sein. Und auf alten Abbildungen erscheint im Totentanz der Tod selber als Tambour: Er spielt zum Tanze auf. Pfeifer hatte die Stadt selbst in ihrem Sold; die Stadtpfeifer hatten – wohl im Verein mit «Trummenslahern» – für Musik zu sorgen, wenn es festlich oder feierlich in der Stadt irgendwo zu- und herging. (Seite 62)
Vom Morgenstreich
Samuel Bell hatte 1834 zum ersten Mal einen Morgenstreich organisiert, obwohl es ihm die hohe Obrigkeit verbieten wollte. Die über 100 Tambouren damals waren schon zahlenmässig den paar aufgebotenen Stänzlern weit überlegen; diese Polizei vermochte jenen Morgenstreich unmöglich zu verhindern, wie ihr aufgetragen war. Der Name, die Bezeichnung «Morgenstreich» allerdings ist älter; erstmals im Jahre 1808 taucht das Wort auf. Nach dem – geratenen – Versuch Samuel Bells von 1834 wurde dann im Jahre 1835 die Fasnachtsverordnung ganz wesentlich freiheitlicher und neu gestaltet; damit wurde auch der Morgenstreich um vier Uhr morgens erlaubt. Noch im 18. Jahrhundert durfte erst morgens um sieben Uhr, dann ab sechs Uhr früh getrommelt werden, 1804 ausnahmsweise einmal schon ab 5 Uhr und dann wieder – bis 1835 – erst von sechs Uhr an. (Seite 62)